SPRACHLIEBE - MIT LUST UND LIEBE SPRECHEN
WORTSAMMLUNG VON A BIS Z
CHRONOLOGISCH GESAMMELT 2023
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Neu zum 15.03.2023 sind diese Wörter:
• Wende
• Abschottung
• übertriebene Energiesparmaßnahmen
• Kreditinstitutsaufwendungsersatzverordnung
• privilegiert, ›unterprivilegiert‹, ›überprivilegiert‹
• Hurenkind und Schusterjunge
• Wende - das neue Schlagwort (nach der "Lücke")?
Eingeleitet wurde die Vorliebe für das Wort "Wende" nicht im Jahr 1989.
Die
"Wende" zurück in den Kapitalismus damals haben die meisten Deutschen ja gar nicht am eigenen Leibe erlebt - die
"Kehrtwende".
Erst mit Bundeskanzler Scholzens Einleitung der
"Zeitenwende"
(Geht es noch größer? - Nein.) wurde das Wende-Wort wieder salonfähig und sozusagen "Zeitgeist".
Inzwischen geht es so richtig los mit
Wende-Wortspielereien, hier das erste von - wie ich hoffe - noch ganz vielen weiteren
Wende-Varianten:
Die "Heizwende"
"Die Heizwende soll kommen: Ab dem kommenden Jahr will Wirtschaftsminister Habeck neue Öl- und Gasheizungen verbieten."
(Tagesschau-Startseite am 16.03.2023)
• Abschottung
Das ist das Hauptthema des EU-Gipfels vom Februar 2023.
Man will sogar einen Zaun rund um die EU herum bauen, wenn ich das richtig verstanden habe. Man will die EU-Grenzen ("unsere Außengrenzen") sichern bzw.
"besser schützen".
Weshalb müssen Grenzen "geschützt" werden? Vor wem oder was müssen sie geschützt werden? Will da jemand unerlaubt raus, so wie es in der DDR war? Die Aufgabe der Grenzanlagen der DDR war es ja, die Leute nicht rauszulassen.
Nein, die Grenzen müssen geschützt werden, damit Leuten, die unerlaubt in die EU einwandern wollen, nicht durch sie hindurch kommen. Es ist sozusagen eine "Spiegelsituation" zu damals, was die EU da heute macht.
Ich glaube, die Gründe, die Leute haben, aus ihrer Heimat fortzugehen, hat man bei dem Gipfel nicht erwähnt. Oder wenn, dann nur am Rande.
• übertriebene Energiesparmaßnahmen
Diese seltsame Formulierung in Zeiten massenhafter öffentlicher Appelle, doch bitte Energie zu sparen, wo es nur geht, mag befremdlich wirken:
Geht das überhaupt, beim Energiesparen "zu übertreiben", also "zu viel zu sparen"?
Ja, es geht, ausgerechnet beim viel empfohlenen "Kaltduschen" und ähnlichen Warmwasser-Sparmaßnahmen kann das Sparen geradezu gefährlich werden: denn dadurch
"können sich in Wasserleitungen und Wasserspeichern Keime vermehren". Vor allem von den so genannten Legionellen droht Gefahr.
Leider waren die insgesamt wirklich sehr interessanten Informationen nur hinter der Bezahlschranke bei der F.A.Z im Artikel vom 03.02.2023
LEGIONELLEN-BEFALL
Wenn die Dusche zur Gefahr wird
zu finden. Denn sonst hätte ich Ihnen den Link auf diesen Artikel nicht vorenthalten. Damit Sie gewarnt sind und es nun wieder
wagen, sich warm zu duschen.
• Die "Kreditinstitutsaufwendungsersatzverordnung"
gehört selbstverständlich in den "Schubkasten gaanz laange Wörter": es sind
fünf Einzelwörter (Kredit - Institut - Aufwendung - Ersatz - Verordnung) die sich hier harmonisch zusammengetan haben. Ggf. kann man "Aufwand" auch als zwei Wörter (auf - wenden) ansehen. Insgesamt enthält diese Wortschlange
42 Buchstaben.
Das Wort an sich ist für die Mehrheit der Deutschen völlig unbedeutend, geht sie nichts an, muss sie nicht kennen. Wen es interessiert - ich gebe hier die Information aus dem F.A.Z. - Newsletter "Frühdenker" vom 02.02.2023 wieder:
Sie
"schreibt vor, wie viel die Aktiengesellschaften den Banken für ihren Aufwand zahlen müssen, damit sie die Aktionäre über Termin und Tagesordnung der Hauptversammlung informieren ..."
• privilegiert, ›unterprivilegiert‹ und gern auch ›überprivilegiert‹
(Wieder einmal muss ich dieses Wort "privilegiert" und seine diversen Formen erwähnen. Se sind bereits ausführlich beargumentiert in der
WORTSAMMLUNG - P#privilegiert.)
Doch dieses aktuelle Beispiel will ich gern öffentlich machen:
Edo Reents schreibt in einem Feuilleton-Beitrag in der F.A.Z. online, hinter Bezahlschranke "F+" am 13.01.2023 über den Tod von Lisa Marie Presley. Wörtlich zitiere ich den ersten Satz dieses Textes:
"Wenn man sich's aussuchen könnte, würde man wohl lieber ein über- als ein unterprivilegiertes Elternhaus nehmen; ..."Ich schreibe es noch einmal aus, um was es mir hier geht:
›überprivilegiertes‹ Elternhaus".
Manch einem genügt offenbar ein einfach "privilegiertes" Elternhaus schon nicht mehr.
Sind die Kinder aus privilegierten Elternhäusern gegenüber den Kindern aus
›überprivilegierten‹ Elterhäusern womöglich bereits
›unterprivilegiert‹?
Schon die Erfindung des Wortes
"unterprivilegiert" ist an Boshaftigkeit kaum zu überbieten, suggeriert es doch, dass die Betroffenen "ein bisschen privilegiert" sind. Das
nicht-euphemische Gegenwort zu "privilegiert" ist übrigens
"benachteiligt".
Es ist Herrn Reents nicht anzulasten, dass er dieses Wort verwendet. Zwar ist es bei Googeln nur knapp 2000 x zu finden, hat es aber schon zu einem Eintrag
ins DWDS (Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache)
und in den Duden geschafft - in der Bedeutung
"übermäßig privilegiert".
Bereits in der FAZ vom 28. Juli 2012 tauchte das Wort auf, als Überschrift in einer Textreihe "Stützen der Gesellschaft".
Andere Nachschlageseiten kennen das Wort gar nicht, z. B. openthesaurus.de.
Den Privilegierten genügt es in ihrer Arroganz und Dünkelhaftigkeit offenbar nicht, sich "privilegiert" nennen zu können, jetzt wollen sie ihren Status noch mehr erhöhen - überhöhen.
(Mit ›... ‹ kennzeichne ich von mir so genannte "Abscheuwörter" bzw. "Scheinwörter" - letztes meint Buchstabenansammlungen, die so aussehen, als wären sie richtige Wörter.)
• Hurenkind und Schusterjunge
"Hurenkind" mag diskriminierend klingen, war vielleicht auch einmal als Herabsetzung für unehelich geborene Kinder gemeint.
Der "Schusterjunge" ist heutigentags eher aus der Redewendung "Es regnet ja wieder mal Schusterjungen" für sehr starken und lang anhaltenden Regen bekannt.
Beide Wörter sind auch als Begriffe in der Typografie, der Drucktechnik bekannt. Sie haben sogar einen Bezug zueinander.
Drucker sind Ästheten. Wenn also drucktechnisch bei einem neuen Absatz die erste Zeile unten auf der Seite steht oder die letzte Zeile eines Absatzes
oben auf der nächsten Seite, so wird das oft als störend empfunden. Im Fall der Einzelzeile am Ende der Seite spricht man vom "Schusterjungen", die letzte Zeile eines Absatzes auf der neuen Seite oben ist das "Hurenkind".
Für beide Wörter gibt es auch noch andere, zum Teil recht drastische Wörter:
Der "Schusterjunge" wird auch "Waise", "Waisenkind" oder "Findelkind" genannt,
das "Hurenkind" wird in jüngerer Zeit auch als "Witwe" bezeichnet, früher waren auch "Hundesohn" und um 1900 herum die Bezeichnung als "Missgeburt"
Neben der ästhetischen Frage spielt auch das lesetechnische Problem eine Rolle: Wenn auf der linken Seite oben eine einzelne Zeile - aus dem Zusammenhang zum Textende auf der vorherigen Seite gerissen- steht, muss man ggf. noch einmal zurückblättern, um diesen Zusammenhang wieder herzustellen.
Meine Informationen habe ich aus der Wikipedia über "Hurenkind und Schusterjunge" (März 2023) und dort stehen noch hübsche Merksprüche für die beiden Wörter, wovon ich nur den ersten hier nennen möchte:
"Ein Hurenkind weiß nicht, wo es herkommt, ein Schusterjunge nicht, wo er hingeht."
Neue Wörter im Jahr 2023, die ich ausführlicher direkt in den Sammelseiten notiert habe, sind:
•
Antikorruptionskultur und
Kultur der Selbstbereicherung (in der
WORTSAMMLUNG KULTUR)
•
Asylbremse (in der
WORTSAMMLUNG A)
•
Lückenstopfer und
Dichtelücke (siehe
WORTSAMMLUNG LÜCKE)
• Die neuen Wörter in der
WORTSAMMLUNG MILITÄR sind so zahlreich, dass ich sie hier nicht noch einmal nenne, mit einer Ausnahme: das lustig wirkende
"Eisenschwein", das in der Soldatensprache für "Schützenpanzerwagen" steht