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SPRACHLIEBE - MIT LUST UND LIEBE SPRECHEN

WORTSAMMLUNG VON A BIS Z  - O


Erst die Wortsammlung, dann ein paar längere Texte zu einzelnen Wörtern:


• Oberamtsanwalt, Staatsdiener
(Schubkasten Titel, Berufe, Ämter, ...)

• Oberbürgermeistereilentscheidung (Schubkasten: gaanz laange
Wörter -32 -
Ober-Bürger-Meister-Eil-Entscheidung)
• Obhut
• Offensive, offensiv
(z. B. "offensiv umgehen mit ...") (krieger-deutsch)
• öfter (eigentlich OK, aber ein Anwendungsbeispiel der Kategorie ""dumm-sprech" folgt unten )
• Ohrwurm (für eine Melodie, die einem "nicht mehr aus dem Ohr geht") (Volksmund)
• Ölschinken (heute im allgemeinen verwendet für ein für scheußliches Gemälde) (Volksmund)
Dieses Wort, seine Herkunft, erschloss sich mir urplötzlich beim Anblick eines Gemäldes, auf dem ein nur mäßig bekleideter Frauenkörper zu sehen war, dessen riesiger nackter Oberschenkel als Blickfang diente.
• Outdoorwinterstiefel
Da fragt man sich schon, ob es ggf. auch "Indoorwinterstiefel" gibt - vielleicht als neue Bezeichnung für Fell-Hausschuhe?
(Schubkasten mode-deutsch)
• optimal, optimaler, am optimalsten (dumm-sprech) - siehe auch die Seite MAXIMALST & CO. (hier in der SPRACHLIEBE » KLATSCHWEIB)
• Ordnung:
Ordnungswidrigkeitsverfahren (28)
Ordnungsgeld, Ordnungshaft
Ordnungsfanatiker (Schubkästen: gaanz laange Wörter, amts-deutsch, sonstiges)
• Organ:
Organspende, Organspender, Organspendebereitschaft, Organspenderausweis, Organtransplantation
(siehe auch WORTSAMMLUNG VON A bis Z - T#Transplantation)
• Ostblock, Ostblockstaaten (Schubkasten Zeitgeist - kein klassischer politischer Begriff, sondern ein ideologisch-abwertender)
• Obhut
Eigentlich war ich der Meinung, dieses Wort bedeutet, dass jemand z. B. ein fremdes Kind oder einen gefundenen Gegenstand "in Obhut nimmt", bis sich die Eltern oder der Besitzer gefunden haben. Ein Besitz- oder gar Eigentumsverhältnis schließt es zumindest nicht ein! Dachte ich.

Manche Formulierung, die nur wie eine stilistische Feinheit aussieht, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als Vertuschung, Verbrämung, Beschönigung oder gar als Lüge.
Mit dem Wort "Obhut" habe ich im März 2017 eine solche Erfahrung machen müssen.

Doch ehe ich näher auf diese erstaunliche Verwendung des Wortes "Obhut" eingehen möchte, versuche ich herauszubekommen, welche Bedeutung das Wort "Obhut" ganz offiziell hat. Schließlich kann mich mein Sprachgefühl täuschen.

Die Wikipedia weiß (Stand 05.04.2017)
»In der Obhut (veraltet: Hut) von jemandem, dem sie nicht gehören, befinden sich eine Person, ein Tier, eine Sache oder auch − im übertragenen Sinne − eine Idee oder ein (geistiges) Vermächtnis, die umsorgt werden müssen („ob“ altertümlich für „über“).«
Na ja, da habe ich gar nicht so falsch gelegen.

Insgesamt ist es ein Wort, das eher selten verwendet wird.
Es gibt dann noch Wörter wie
"Inobhutnahme", "Obhutspflicht" und "Obhutverhältnis".
Synonyme bedienen vorrangig die Bedeutung im Sinne von "Schutz".

Weitere Recherchen zeigen, dass dieses Wort vorwiegend Anwendung findet in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen. Speziell in dem folgenden (bzw. in ähnlichem) Zusammenhang "Jugendämter nehmen immer mehr Kinder in Obhut" ist dieses Wort sehr häufig zu finden.

Sachen, Gegenstände "in Obhut zu nehmen" - diese Formulierung wird eher selten  verwendet. Meist wird diese Bedeutung bei Erklärungen des Wortes nicht einmal erwähnt.
Ein Beispiel aus eigenem Erleben kann ich beisteuern:
Arbeiter hatten vor dem Haus ein Werkzeug vergessen. Das Vergessen war offensichtlich, da Feierabend war und niemand mehr zu sehen war. Aus der Vermutung, dass es ggf. gestohlen werden kann, nahm ich es "in meine Obhut". Das bedeutet: ich habe der Firma Mitteilung gemacht, habe es sicher untergebracht, es ist dadurch nicht "in meinen Besitz" übergegangen. Das wäre der Fall, wenn ich es benutzen würde - und das wäre in dieser Situation unrechtmäßig. Ich habe es also lediglich im Interesse des Eigentümers "beschützt", bis dieser es selbst wieder "in Besitz" (nicht "in Obhut"!) nehmen kann.


Aktuell (Stand 05.04.2017) geht es einmal wieder um den sogenannten "Welfenschatz" und die Frage nach dem rechtmäßigen Eigentümer. Man erfährt (ich z. B. aus der MZ vom 04.04.2017, S. 22), dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz die 44 Goldreliquien "seit der Nachkriegszeit in ihrer Obhut hat". Daraus schließe ich, dass sie nicht Eigentümer ist. Wer ist dann zur Zeit Eigentümer des Schatzes? Ist er herrenlos?
Warum vermeidet man es, einen aktuellen Eigentümer direkt zu benennen? Weil man Zweifel hat, dass der aktuelle auch der "rechtmäßige" ist?

Nun zurück zu der oben angekündigten Erfahrung mit diesem Wort:
Die Wittenberger Schlosskirche (Teil des Weltkulturerbes Luthergedenkstätten) wurde kürzlich ganz offiziell der EKD geschenkt. Erstaunlich war in dem Bericht über diesen Schenkungsakt, dass der bisherige Eigentümer der Schlosskirche nicht genannt wurde.
"Nach Jahrhunderten in staatlicher Obhut hat die Wittenberger Schlosskirche einen neuen Besitzer." Diese Formulierung kann man in einem Zeitungsartikel lesen. Das Land Sachsen-Anhalt hat die Kirche "übergeben". Wenn man den kleinen Artikel sehr genau liest, zeigt sich, dass offiziell gar nicht von einer Schenkung gesprochen wird, dieses Wort verwenden nur Leute aus den Reihen der Protestler bzw. Kritiker. Denn wenn man etwas nur "in Obhut" hat, kann man es nicht verschenken, dann kann man es nur "herausgeben" (wie vielleicht den o. g. Welfenschatz).
Was also soll mit dieser fein abgestimmten Wortwahl beschönigt oder verbrämt werden - oder steckt noch mehr dahinter, z. B. eine "faustdicke Lüge"?
Den Artikel selbst und weitere Kommentare kann man finden in meinem WITTENBERG-BLOG 2017 (in LUTHERSTÄDTISCHES).
Offensive, offensiv
Manuela Schwesig, Familienministerin Deutschlands, ist zum zweiten Mal Mutter geworden. Sie "ist mit ihrer Schwangerschaft offensiv umgegangen." (so zu lesen in der MZQuelle vom 09.03.2016 auf S. 5)

öfter"Eine Besonderheit bei allen Parteien: Männer sind viel öfter Mitglied als Frauen."(gefunden in der MZ vom 11.01.2016, S. 2)
Und ich habe auch eine Erklärung dafür: weil sie viel öfter Bier trinken als Frauen. Sie trinken auch viel mehr Bier als Frauen.
Was ist der Unterschied zwischen "mehr Männer als Frauen sind Mitglied"  und "Männer sind öfter als Frauen Mitglied" - ?
Bei der Beantwortung dieser Frage hilft es vielleicht, die Gegenwörter zu bilden:
"oft" bzw. "öfter"  steht "selten" bzw. "seltener" gegenüber
"mehr"                steht "weniger" gegenüber.
Männer trinken öfter und mehr Bier als Frauen.
Frauen trinken seltener und weniger Bier als Männer.
Manch einer trinkt selten (und dann) viel Bier und ein anderer trinkt öfter (und dann) wenig Bier.

Übrigens ist sowohl "öfter" / "öfters" als auch "am öftesten" sprachlich laut Duden völlig korrekt, auch wenn "am öftesten" eher lustig klingt, so als wäre es eine Wortspielerei. Auch "des Öfteren" ist korrekt.
Häufig wird "oft" auch mit "häufiger" und "am häufigsten" gesteigert.