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"LUTHER IN TÜTEN"
WAS MAN SO ALLES MIT UND AUS LUTHER MACHEN KANN

LUTHERS LEHRE

Ein nie gehörtes Wort im "Quizz-Duell" (diesem Handy-Spiel, das man gegeneinander spielen kann: verschiedene Themen, pro Frage vier Antwortmöglichkeiten, die richtige weiß man oder muss sie halt raten) verblüffte mich: "Laestadianismus". Die ganze Frage lautete: "Wer gründete die lutherische Erweckungsbewegung Laestadianismus?" Die richtige Antwort war übrigens: Lars Levi Laestadius.

Lutherische Erweckungsbewegung? Laestadianismus?
Das ist ein Grund für mich, zu recherchieren  - Google hilf!
Das Ergebnis war so erstaunlich-überraschend, dass ich beschloss, eine extra Seite rund um Luthers Lehre zu erstellen.

Der Hintergrund ist:
Sicher waren mir die wesentlichen Gedanken aus Luthers Lehre bis zu meiner Konfirmation im Jahr 1967 vermittelt worden, später haben sie mich nicht mehr interessiert. Gelegentliche Kontakte in Veranstaltungen hier in Wittenberg mit einzelnen dieser Gedanken hatte mich nie wirklich neugierig gemacht, mich ausführlicher damit zu befassen.

Nun wurde der Laestadianismus zum Auslöser für die Frage, wieso die Christenheit, vor allem die evangelische / reformatorische Bewegung so zersplittert ist.
Deshalb habe ich in jüngster Zeit begonnen, mich wieder ein wenig damit zu befassen. Im Nachhinein bin ich mehr als erstaunt über all das, was "in Luthers Lehre drinsteckt" an religiösen, theologischen und philosophischen Gedanken und vor allem erstaunt mich, in welche Spielarten, Weiterentwicklungen und Interpretationen dieser Lehre sich seither aufgespalten hat.

Eine erste Sammlung rund um "Luthers Lehre" und ihre Auswirkungen gibt es zu diesen Punkten:
       - Luthers Theologie
       - Nationalprotestantismus
       - Die Lutherische Orthodoxie (erste Stichpunkte)
       - Laestadianismus
       - Der ›Missbrauch‹ seiner Lehre durch die Nationalsozialisten
          im ›Dritten Reich‹

       - Luther und das Gebot der Nächstenliebe -
          oder die Frage, ob Luthers Lehre noch wichtig
          für die Zukunft des Christentums ist

       - Empfehlungen - siehe auch in anderen Medien

Luthers Theologie

Im Zeichen der "Lutherdekade" (2008 - 2017) wurden wir in besonderem Maße über die positiven Auswirkungen, über die Segnungen von "Luthers Lehre" informiert.

Da ist als erstes die so genannte "Rechtfertigungslehre" als "Kerngedanken der Reformation" (bzw. auch "Schlüssel der Reformation", beide Formulierungen auf der EKD-Website, siehe auch "sola gratia") zu nennen, die ich so verkürzen möchte:
Der Mensch kann nur durch den Glauben allein selig werden. Gute Taten nützen dafür gar nichts. Luther hat wohl noch so gefragt: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?

Berühmt sind auch die  (je nachdem, wie man es sieht) 3, 4 oder 5 "Sola", wobei die im folgenden drei erstgenannten die eigentlichen "Grund-Soli" sind:
"sola fide - sola gratia - sola scriptura
- solus Christus - soli Deo Gloria"

(allein durch Glaube - allein durch die Gnade - allein durch die Schrift
- allein durch Christus - Gott allein gehört die Ehre)
sind sozusagen die "Schlagworte", auf die man Luthers Lehre zusammenfassen kann.

Manch einer hat auch schon vom "Solo verbo" gehört, aber dieses "Allein das Wort (Gottes)" gehört nicht zu den "5 Solas der Reformation".
Eine sehr schöne, verständliche Zusammenfassung bietet diese Seite:
christozentrisch.wordpress.com/fragen-und-antworten/die-5-solas-der-reformation/ »external Link«
Sehr interessant sind übrigens auch die Kommentare dort.
(Es handelt sich hier um die private Website eines Herrn Jean-Louis Goiran, der "die Entstehung einer neuen reformierten Kirche in Deutschland" und "mit diesem Blog das Gedankengut der Reformation bekannt machen" möchte.)

Ein Handmaterial der EKD (der Evangelischen Kirche in Deutschland), ein 124  Seiten umfassendes pdf
"Rechtfertigung und Freiheit - 500 Jahre Reformation 2017"
fasst Luthers Lehre und ihre Bedeutung für heute zusammen:
www.ekd.de/download/2014_rechtfertigung_und_freiheit.pdf »externer Link«
Darin wird sogar die Frage "Wie soll gefeiert werden?" beantwortet.

Wer noch einen Blick in die "hohe lutherisch-evangelische Theologie" (meine Formulierung - B.K.) werfen will, wer sich ein Bild von der für Laien kaum noch nachvollziehbaren Kompliziertheit der theoretischen Fragen zum Glauben machen will, der kann das z. B. hier tun:
www.pfarrerblatt.de/text_164.htm »externer Link«.

Nationalprotestantismus

Bei einer Recherche stoße ich zufällig auf dieses bisher noch nicht wahrgenommene Wort (books.google.de/~ »externer Link« ).
Ich ahne, um was es hier geht.
Am 28.06.2016 hatte Bundespräsident a. D. Christian Wulff (Katholik) in der Kanzelrede  in der Wittenberger Stadtkirche angemerkt, dass es einmal eine Zeit gab, in der selbst Katholiken und Protestanten  sich anfeindeten, das ist noch gar nicht so lange her. Vor 100 Jahren  z. B. gab es in Preußen (offenbar von Staats wegen) die Meinung, dass die Katholiken nicht zu Deutschland gehörten, weil sie aus Rom gesteuert werden.
Andererseits hat der Nationalismus der Lutheraner im 1. Weltkrieg gerade bei den Soldaten eine herausragende Mobilisierungsrolle gespielt. Luther wurde in dieser Zeit geradezu zum "Nationalhelden" hochstilisiert.
Noch schlimmer wurde es während des "Dritten Reiches", als die "Deutschen Christen" eine enge Liaison mit den nationalsozialistischen Machthabern eingingen.
(s. u.  "Der Missbrauch seiner Lehre durch die Nationalsozialisten")

Offenbar können Nationalismus und Protestantismus  eine geradezu "unheilige Mischung" bilden.

Lutherische Orthodoxie

Was jemand neu denkt, wird später von anderen Leuten bekämpft oder bestärkt und - das vor allen Dingen - zum Dogma erhoben und dabei oft verfälscht.
Die "Lutherische Orthodoxie" ist ein solches Beispiel, wie aus einer Lehre (egal ob in der Philosophie, Naturwissenschaft, Theologie, Staatswissenschaft oder anderen theoretischen Lehrgebäuden) ein Dogma wird, in dem die lebendigen Gedanken des Urhebers betoniert werden. Damit verliert die Lehre die Kraft, sich weiter zu entwickeln und erstickt mit der Zeit.
Ich denke, den späteren Umgang mit Luthers Theologie kann man inzwischen als Paradebeispiel einer solchen Verknöcherung und Verkrustung ansehen.
Schon der Begriff "Orthodoxie" sagt ja, was gemeint ist. Er bedeutet "rechte Lehre". Wer immer es wagt, davon abzuweichen (womöglich in der Absicht, diese Lehre zu verbessern, weiter zu entwickeln, weiter zu vervollkommnen, an die Entwicklung der Menschen und ihre Wissens in der nachfolgenden Zeit anzupassen), wird zum Ketzer, Herätiker, zum "Feind" erklärt.

Eine erste Textstelle, gefunden im Wikipedia-Artikel zu "Kirchenkampf"
(de.wikipedia.org/wiki/Kirchenkampf »externer Link«, angesehen am 21.08.2016, weitere Verlinkungen im Text nicht übernommen),
kann bereits zeigen, worum es bei der Lutherischen Orthodoxie u. a. geht:»Die lutherische Orthodoxie blieb indes eng mit Adel und Monarchie verbunden und bildete seit 1789 ein konservatives Bollwerk gegen Rationalismus und Liberalismus. Dort begrüßten führende Theologen die Reichseinung von 1871 stürmisch und erhoben Otto von Bismarck zum Vollender der Reformation.«

Laestadianismus

Wie die Wikipedia verrät (siehe de.wikipedia.org/wiki/Laestadianismus »externer Link« - Stand 23.06.2016), treffen sich in dieser "Erweckungsbewegung" (Was ist das denn? - kläre ich später) im Norden Europas (Norwegen, Schweden, Finnland) die Lutherlehre mit der Volksfrömmigkeit in Gestalt der alten samischen Volksreligion inklusive "schamanischer Ekstase". Auch hier gilt, dass der Mensch von Natur aus (man könnte auch sagen "von Gott aus" - B. K.) sündig ist und bekehrt werden muss. In dieser Variante des Luthertums gibt es dafür sogar das Bekenntnis der Sünde vor der Gruppe und anschließender Beichte vor einem Führer der Bewegung, der dann durch Handauflegen die Sünden vergibt.

Eigentlich ist es bedauerlich, dass der Protestantismus die Beichte abgeschafft hat. Mir sind keine Beichtpraxen aus anderen evangelischen bzw. protestantischen, lutherischen oder calvinschen oder sonstigen Reformationsfolge-Gruppen bekannt. Doch eine Beichte der "Sünden" ist - psychologisch gesehen - ziemlich wohltuend.

Strenge moralische Vorgaben, ein "christlicher Lebensstil", Ablehnung von Empfängnisverhütung usw. sind wesentliche Elemente dieser Frömmigkeit des Laestadianismus. Einige nennen sie "die europäischen Amish".

Der ›Missbrauch‹ seiner Lehre
durch die Nationalsozialisten im ›Dritten Reich‹

Ja, Luthers Antisemitismus ist nun genug durch die Medien gejagt worden. Man weiß auch, dass er diesbezüglich "ein Kind seiner Zeit" war.
Leider war auch nicht zu verheimlichen, dass die Nazis fast alle seine "Ratschläge", wie man mit Juden umgehen solle, in die Tat umgesetzt haben.
Luther hat vielleicht nicht ahnen können, dass so etwas einmal wirklich passieren würde. Für ihn war es sicher nicht in dieser Form denkbar, vorstellbar.

Obwohl - bei den Bauern hat er ja auch angesichts der Ereignisse in seiner Zeit keinerlei Schonung gekannt und gefordert, sie zu töten.
Hätte ihn das, was die Nazis mit den Juden machten, vielleicht gar gefreut oder hätte es ihn entsetzt?

Und noch etwas gebe ich zu bedenken:
Die Nazis haben Luther nicht "missbraucht" - sie haben seine Gedanken nicht gefälscht. Sie haben sie "nur" in die Tat umgesetzt.
Ein Missbrauch wäre es gewesen, wenn sie zwar seinen Namen benutzt hätten, aber seine Gedanken und seine Schriften gefälscht hätten, in ihrem Sinne umgedeutet hätten. Leider, leider sieht es nicht danach aus.

Es ist müßig zu fragen, ob die Nazis ihren Massenmord an den Juden auch ohne Luthers "Empfehlungen" in dieser Form umgesetzt hätten. Man findet schließlich für seine Absichten und sein Tun immer jemanden in der Geschichte, auf den man sich berufen kann.
Auf ihn berufen haben sie sich allemal, sogar mit der Aussage, sie würden praktisch Luthers Reformation nun politisch fortsetzen.
(siehe Wikipedia "Martin Luther und die Juden" »externer Link« , Stand 19.05.2017)

"Die Gedanken sind frei."
Ja, aber es ist nicht mehr "frei", was man ausspricht. Da sollte man - das ist die wichtigste Lehre aus Luthers Lehren, die ich sehe - vielleicht etwas mehr Verantwortung zeigen:
Sei dir der Wirkung deiner Worte bewusst, setze sie mit Einfühlungsvermögen und Verantwortungsgefühl - und immer auch mit Freundlichkeit und Nächstenliebe!

Vermutlich denkt jeder Mensch auch mal schlimme, böse Sachen: was würde man nicht gern jemandem antun, der einen gekränkt, beleidigt oder der dem eigenen Leben sogar Schaden zugefügt hat. Aber man spricht es nicht öffentlich aus. Und das ist gut so.
Nur die allerwenigsten setzen ihre Rachegedanken dann auch in die Tat um.

Es wäre wünschenswert, dass dieser Gedanke von der Verantwortung für die eigenen Worte als Lehre aus den Wirkungen der judenfeindlichen Äußerungen von Martin Luther in den ganzen Reformationsfeierlichkeiten auch eine Rolle gespielt hätte. Falls er dort irgendwo aufgetaucht sein sollte, ist er mir trotz hohen Zeitaufwandes, mich darüber zu informieren, nicht ein einziges Mal untergekommen.

Luther und das Gebot der "Nächstenliebe"

oder die Frage, ob Luthers Lehre  noch wichtig für die Zukunft des Christentums ist
Dieses Gebot der Nächstenliebe geht wesentlich auf Jesus zurück. Es taucht zwar bereits im Alten Testament auf, doch Jesus hat es besonders hervorgehoben und auf die "Feindesliebe" erweitert.

Das Wort "Nächstenliebe" ist selten im Zusammenhang mit Martin Luther zu finden.
Googeln am 19.05.2017 brachte diese Ergebnisse:
"Martin Luther": rund 73 Millionen
"Martin Luther" und " - King": 24,7 Millionen
"Martin Luther King": 57,1 Millionen
Die Suche nach "Nächstenliebe" und "Martin Luther" ergibt 70.600 Fundstellen, die meisten beziehen sich auf Martin Luther King.
Es finden sich im Internet eine Handvoll Zitate von Luther, die sich - auch wenn das Wort "Nächstenliebe" darin nicht wirklich vorkommt - unter diesen Begriff einordnen lassen.

Luthers Forderungen, wie mit den aufrührerischen Bauern und mit den Juden umzugehen sei, lassen nichts von Nächstenliebe, erst recht nichts von "Feindesliebe" erkennen (falls man die Juden und die Bauern als "Feinde Luthers" ansehen wollte).

Daraus kann man schlussfolgern, dass das Gebot der Nächstenliebe nicht zu den Hauptanliegen der Lutherischen Lehre gehört.
Gut, es ist schließlich ganz allgemein ein Grundpfeiler christlicher Ethik. Auch die Protestanten handeln nach diesem Gebot. Luthers Theologie benötigen sie dafür offenbar nicht.

Früher hatte ich gelernt, dass der "Gemeine Kasten" (eine Art Armenkasse der Stadt) auf Luther zurückgeht. Inzwischen zeigte sich, dass das "Fake News" waren: der Urheber der "Gemeinen Kastens" war Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt. Dieser war zuerst Luthers Doktorvater und Freund, später wurden sie üble Feinde (in dem Sinne, dass Luther Karstadt anfeindete und ihm übel mitspielte).
Offensichtlich hat man dem Luther zu viel Ehre angetan, als man Wert darauf legte, ihn als den Urheber des "Gemeinen Kastens" zu nennen.

In all dem Trubel  und Personenkult um Luther im Rahmen der Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation taucht bei mir die Frage auf:
Wofür wird diese Lehre heute überhaupt noch gebraucht?
Nach allem, was ich darüber gelesen habe, halte ich sie inzwischen für überflüssig. Im Gegenteil, sie hat so viele Schwächen, dass sie eigentlich an vielen Stellen korrigiert werden müsste.

Ich behaupte: um ein guter Christ zu sein, braucht man Luthers Lehre heutzutage gar nicht. Diese gehört lediglich in die Geschichte des Christentums, nicht zu dessen Zukunft.

Diese Aussage stelle ich hier erst einmal als Behauptung auf.
Noch sind nicht alle Texte ausgewertet, die ich in den vergangenen zwei Jahren über Luther gelesen habe.
Die Beziehung zwischen Luther und Zeitgenossen von ihm, aber auch von späteren Personen, die sich über Luther geäußert haben, werden dabei spannende Einsichten gewähren, das kann ich heute schon versprechen. Mit dieser Thematik werde ich mich auf der Seite LUTHER UND ANDERE LEUTE näher befassen.

Empfehlungen - siehe auch in anderen Medien

Terra X - 500 Jahre Reformation
In der Reihe "Terra X" des ZDF wurde zu Ostern 2017 ein Dreiteiler über "500 Jahre Reformation" ausgestrahlt.
Ich kann ihn sehr empfehlen, werden hier doch wesentliche Zusammenhänge mit anderen Ereignissen der damaligen Geschichte anschaulich und auf das Wesentliche konzentriert sichtbar gemacht.
Noch bis April 2027 sind die drei Teile in der ZDF-Mediathek abrufbar:
Teil 1: Der große Anfang - Der Funke
zdf.de/dokumentation/terra-x/der-grosse-anfang---500-jahre-reformation-100.html »externer Link« 

Teil 2: Der große Anfang - Die Explosion
zdf.de/dokumentation/terra-x/der-grosse-anfang---500-jahre-reformation-102.html »externer Link« 

Teil 3: Der große Anfang - Das Feuer
zdf.de/dokumentation/terra-x/der-grosse-anfang---500-jahre-reformation-104.html »externer Link«