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MÄRCHENHAFTES

SCHNEEWITTCHEN

Viel ist über dieses Märchen geschrieben worden, zahlreiche Filme greifen es immer wieder auf. Einige der in ihm enthaltenen Gedanken sind mir dabei bisher zu kurz gekommen:

• Die Farbsymbolik schwarz-weiß-rot
• Der Prinz kann den Schneewittchensarg nicht kaufen, aber die Zwerge schenken ihm diesen
• Der Jäger hat einen Befehl nicht ausgeführt
• Die Stiefmutter - der Schönheitswahn und die Angst vor dem Altern

Die Farbsymbolik schwarz-weiß-rot

Diese drei Farben - so habe ich es in den Büchern von Heide Göttner-Abendroth gefunden - sind typisch matriarchale Farben: sie stehen für Geburt - Leben - Tod. Als Kind erfährt man sicher erstmals von dieser Farbenkombination in dem Märchen von Schneewittchen:
Die Königin wünscht sich ein Kind "so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz(haarig) wie Ebenholz".
Dass in diesem Märchen eine Farbsymbolik aufbewahrt wird, wurde mir erst nach den Büchern von Heide Göttner-Abendrot bewusst (siehe auch GÖTTNER-ABENDROTH in DIE BESTEN GEDANKEN » VISIONEN).

Später fand ich diese drei Farben noch einmal in einem russischen Märchen. Darin hatte die Mutter dem Mädchen (Maruschka, Wassilissa - ich weiß den Namen des Mädchens und auch den des Märchens nicht mehr, es könnte "Väterchen Frost" gewesen sein) diesem ein Püppchen gegegen, sozusagen als Schutzgeist.
Dieses Püppchen war ebenfals schwarz-weiß-rot gekleidet, wahrscheinlich waren ihre Haare auch hier schwarz.

Jüngst stieß ich bei einer Internetrecherche zufällig auf eine Seite, auf der es um die drei Märchen Schneewittchen, Rotkäppchen und Aschenputtel ging. Sofort musste ich an diese Farbsymbolik denken.

Der Prinz kann den Schneewittchensarg nicht kaufen, aber die Zwerge schenken ihm diesen.

Auch diese Bitte des Prinzen hat etwas erstaunliches. Zuerst will er den Zwergen den Glassarg, in dem das scheinbar tote Schneewittchen liegt, abkaufen. Die Zwerge verweigern ihm diesen Wunsch: "Nicht um alles Geld der Welt."
Als er dann sagt: "So schenkt ihn mir, denn ich kann ohne Schneewittchen nicht leben." geben sie ihm den Sarg.
Es ist eigenartig, dass sie ihn nicht verkaufen wollen und ihn dann verschenken.

Diese Episode hat mich erinnert an die moderne Version - eine "Ökonomie des Schenkens" (gift oeconomy). Doch dieser Gedanke gehört in das Thema "HEITERE ZUKUNFT" (Visionen).

Der Jäger hat einen Befehl nicht ausgeführt

Der Jäger war der bezahlte Angestellte im Königreich. Er war also verpflichtet, der Königin zu gehorchen und alle ihre Befehle auszuführen.
Doch wenn ein Befehl gegen moralische Grundwerte verstößt, dann muss der Befehlsempfänger sich entscheiden, ob er diesen ausführt oder sich weigert.

Arbeitsrechtlich betrachtet ist die Weigerung eine Arbeitspflichtverletzung, die bestraft werden kann.

Da sind wir bei einem analogen modernen Dilemma:
Wie verhält sich ein Mensch heute, wenn er etwas befohlen (angewiesen) bekommt von seinem Arbeitgeber, das seinen eigenen Moralvorstellungen widerspricht? Er weiß, dass er dann entlassen werden kann und damit finanziell ruiniert ist. Denn so etwas spricht sich herum, er dürfte kaum noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben:
Also wird es häufig dazu kommen, dass Menschen Dinge tun, die ihnen befohlen werden, die eigentlich problematisch sind.
Dann hinterher zu sagen: "Ich konnte ja nicht anders, ich hatte doch den Befehl auszuführen." - sozusagen den "Befehlsnotstand" entschuldigend zu berufen - bedeutet nichts anderes, als sich von den Folgen des eigenen Handels freizusprechen, sich seiner Verantwortung zu entledigen.

Die Stiefmutter - der Schönheitswahn und die Angst vor dem Altern

Ein Text vor Jahren - die Quelle kann ich nicht mehr benennen - verwies darauf, dass dieses Märchen eigentlich "Die Stiefmutter" hieß.
Denn deren Problem ist das eigentliche in diesem Märchen:
Wenn Jugend und Schönheit ein wesentlicher "Wert" von Frauen ist, dann sind alte Frauen "nichts mehr wert". Alte Frauen werden "unsichtbar" - bis heute ist das noch immer ein großes Dilemma.

Aktuell hat Alice Schwarzer dieses Thema in die Zeitschrift EMMA gebracht - das moderne Schlagwort nennt sich heute mit einem Fremdwort "Ageismus" bzw. "Altersdiskriminierung".

Das andere aktuelle Problem ist, dass der Schönheitswahn der Stiefmutter heute schon bei jungen Mädchen anzutreffen ist: Magersucht, Model-Berufsträume, Schönheitswettbewerbe, ...
Das Ideal junger Mädchen ist oft, "die Schönste zu sein". Nicht im Stile des Schneewittchens, das von der Wirkung seiner Schönheit gar nichts weiß, sondern in Analogie zur Stiefmutter.
Ich glaube, das ist vielen jungen Mädchen gar nicht bewusst, dass sie keine Schneewittchen-Schönheit sind, sondern eine Stiefmutter-Schönheitswahn-Befallene.

Wie hätte die leibliche Mutter von Schneewittchen sich wohl verhalten?
Was hätte Schneewittchen machen können, wenn sie das Problem ihrer Stiefmutter hätte erkennen können?
Was könnte die Lösung für alte Frauen sein?

Ich denke nur als Beispiel an Gret Palucca, die Tänzerin: wenn man sieht, mit welcher Begeisterung, welchem Temperament sie noch mit 80 Jahren getanzt hat, wenn man weiß, wie sie ihr Wissen den jungen Mädchen weiter gegeben hat, dann ist sie auch im Alter "schön" - die Verbindung von Altersweisheit und Altersschönheit - das könnte die Lösung sein.

Ich denke auch an die vielen Geschichten und Märchen, in denen weise alte Frauen eine Rolle spielen: die Großmütter, die Frau Holle, die Babajaga ...