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MÄRCHENHAFTES

ASCHENPUTTEL

Vergleicht man mit der Geschichte von Frau Holle, so enthält das Märchen "Aschenputtel" eine weitere Version der Geschichte vom fleißigen und unterbezahlt arbeitenden Mädchen, die so viele Frauen heute noch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Doch diese Geschichte geht - typisch Märchen - gut aus: sie bekommt ihren Prinzen und die bösen Weiber, die ihre Arbeitskraft genutzt haben, um selbst faul zu sein, werden bestraft.

Doch eigentlich gibt es hierzu noch eine weitere Interpretationsmöglichkeit:
In einer Zeichentrickversion  sind die Stiefschwestern gar nicht faul, sie geben sich dem "Müßiggang" hin: sie tun etwas für Körper und Geist und Seele: sie treiben Sport, lernen Klavier spielen und tanzen, haben Zeit, sich zu bilden ...

Wenn die notwendig zu verrichtende Arbeit nicht von Aschenputtel allein gemacht werden müsste, wenn sich alle daran beteiligten, hätten auch alle genug Freizeit für diese Dinge, für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit.

Das "Aschenputtelprinzip" ist bis heute aktuell:
noch immer kaufen sich Leute, die genug Geld haben, die Lebenszeit anderer billig ein, um sich vor der notwendigen Arbeit, die sie sonst selbst machen müssten, zu drücken:
Ein Rechtsanwalt, der z. B. in einer Stunde 60 Euro verdient (ich vermute mal, das ist noch untertrieben), kauft sich für 5 oder 10 Euro eine Putzfrau, die sein Büro sauber hält. Will die Putzfrau eine Gegenleistung vom Rechtsanwalt kaufen, muss sie 6 bis 12 Stunden arbeiten, um eine Stunde des Rechtsanwalts kaufen zu können.

Wir haben also mit dieser unterschiedlichen Bezahlung von Lebenszeit auch noch ganz nebenbei ein Prinzip von wertvollerer und minderwertigerer Lebenszeit eingeführt.

Übrigens schadet es keinem, wenn er diese für sein Leben notwendigen Arbeiten selbst macht. Die Erfahrungsebene, in die man sich dabei begibt, ist sehr wertvoll. Ein japanischer Arbeitgeber wurde im Dezember 2008 oder Januar 2009 in den TV-Nachrichten vorgestellt, der seinen Mitarbeitern das kollektive Putzen der Firma verordnete und selbst mit gutem Beispiel voranging. Er meinte, das schaffe eine ganz andere Weltsicht und auch eine gewisse "Demut" - er bezog es auf sich selbst, wohlgemerkt. Das war seine Erfahrung mit dem Putzen.

Ein weiterer Ansatz aus diesem Märchen für die heutige Zeit ist der Aspekt, dass die Reichen und Herrschenden, obwohl eigentlich genug ordentlicher Platz im Haus vorhanden ist, das Aschenputtel in der Küche, in der Asche schlafen lassen. Heute heißen diese Leute, die "in der Asche schlafen müssen", jedoch  z. B. "bildungsferne Schichten" oder "armutsgefährdet". Also ob die Armut für diese Menschen eine "Gefahr" wäre und nicht schon lange Realität. Kulturwünsche dieser Menschen (Aschenputtel will mit zum Ball) werden verspottet, abgelehnt und der Zugang zur Kultur wird außerdem erschwert durch unlösbare Aufgaben: Die "Erbsen und Linsen aus der Asche" zu lesen, eine unnötige Zusatzarbeit, ist gar nicht so lebensfremd wie es scheinen mag. Heute heißt das "Anträge stellen" (für "Bildungsgutscheine" oder z. B. kostenloses Mittagessen in der Schule).

Die folgenden zwei Assoziationen haben nicht mehr so direkt mit dem Vergleichen von Märchen und Lebenswirklichkeit von Menschen heute zu tun.

Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen ...

 Der Spruch, den Aschenputtel den Täubchen sagt, wirkt wir ein Zauberspruch oder ein magischer Text:
"Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen"
Dann folgt ein "Sortiervorgang", die Trennung der Substanz in eine "gute" und eine "schlechte" - in einen noch brauchbaren bzw. nützlichen und einen unbrauchbaren, nicht mehr verwendbaren Teil der Erbsen und Linsen.
Das ist etwas, das eng mit dem allgemeinen bzw. dem ökonomisch-sozialen Begriff der Arbeit zusammenhängt: Arbeiten ist "etwas nützliches, brauchbares tun". Arbeit ist "zielgerichtetes Handeln".

Darin unterscheidet sich der Arbeitsbegriff im gesellschaftlichen Leben von dem in der Physik: der physikalische Arbeitbegriff kennt die Einteilung in "nützliches Tun" und "unnützes Tun" nicht. Denn die Physik kennt  auch den Begriff der  "Zielgerichtetheit" nicht. Sobald Kraft aufgewendet bzw. Energie verbraucht wird, wird im physikalischen Sinne "Arbeit verrichtet" - doch eigentlich ist das nur eine "Arbeitsaufwands-Definition". Der konkrete Inhalt der Arbeit spielt physikalisch keine Rolle. Man muss sich hüten, diese beide Begriffe "Arbeitsaufwand" und "Arbeitsinhalt" zu verwechseln.

Asche, Aschenputtel, Aschera?

Eine anderer Gedanke, der mir bei "Aschenputtel" kommt, ist der Name der heute fast vergessenen Göttin Aschera. Die tauchte zwar noch in der Original-Bibel im Alten Testament auf, wurde aber in der Luther-Übersetzung durch das Wörtchen "Hain" ersetzt. Auch in Nachschlagewerken wie der Brockhaus-Enzyklopädie Quelle sucht man sie  - selbst in den Bänden 28 bis 30, dem "Deutschen Wörterbuch" - vergeblich. Zu unserer westlich-christlichen Kultur gehört sie also nicht. Hat sie vielleicht doch in der "Asche" überlebt, im Aschenputtel?
Wikipedia hilft da schon weiter: ja, in der Bibel taucht das Wort "Aschera" rund vierzigmal auf. Ja, es ist zu vermuten, dass sie auch als Himmelsgöttin, Partnerin von JHWH / Gott verehrt wurde.

Dass Gott eine Frau gehabt haben soll - das könnte tödlich für das Christentum sein - oder seine Rettung! 
Aber das alles sind Gedanken, die nichts mehr mit dem Märchen von Aschenputtel zu tun haben.

siehe auch in ALS GOTT NOCH EINE FRAU WAR 
(in GOTT UND DIE WELT » GOTTBILDER)