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SPRACHLIEBE - MIT LUST UND LIEBE SPRECHEN

DAS KLATSCHWEIB - ZEITGEISTIGKEITEN

Was meint das Klatschweib mit diesem Wort?
Mit diesen "Zeitgeistigkeiten" ist eine Zusammenstellung von Gedanken, Worten, Wortgruppen und ganzen Sätzen gemeint, in denen sich der Geist unserer Zeit, unser gegenwärtiger Zeitgeist erkennen lässt - manchmal vordergründig, mitunter hintersinnig-versteckt.
(Eine kleine Betrachtung zum Wort "Zeitgeistigkeit" ist zu finden in der → Anmerkung 1)

Aufstacheln zum Ungehorsam
(Notiz vom 31.12.2022)
Er ist ein "Volkstribun" - und die F.A.Z.
(online 07. Mai 2022 "Frankreich: Wie Melénchon zum Ungehorsam gegen die EU aufruft")
meint das offenbar synonym mit  "Demagoge" - dieser linke Mélenchon, der beinahe in die Stichwahl um das Präsidentenamt gekommen wäre. Die wurde dann ja zwischen Marcon und Le Pen ausgetragen und Macron hat gewonnen.
F.A.Z. schreibt: "Der neue Star in Frankreich heißt Jean-Luc Mélenchon. Er stachelt Sozialisten und Grüne zum Ungehorsam gegen die EU an. Für Präsident Macron kann das zum Problem werden." An diesem Satz beschäftigt mich die Formulierung "anstacheln zum Ungehorsam". Nein, "aufstacheln" (wie ich hier in der Überschrift notiert habe) hat die FAZ gar nicht geschrieben, man denkt es nur unwillkürlich beim Lesen.

Was verrät diese Formulierung?
Wenn die EU ein freier Staatenbund ist, der allen Ländern nützt, dann ist "Gehorsam" gar nicht nötig.

Wenn jemand zu "Ungehorsam" aufruft oder sich "ungehorsam" verhält, dann ist er mit Entscheidungen, Forderungen bzw. dem Verhalten von "übergeordneten" Personen oder Institutionen, also mit den "Autoritäten" nicht einverstanden.
Da kommt man doch ganz allein, wenn man hier weiterdenkt, auf die Frage, wie sich Gehorsam und Demokratie zueinander verhalten.
(siehe einen weiteren Text hier in der WORTSAMMLUNG A BIS Z - U
zu "Ungehorsamkeitsarrest")


Mieterschutz in Deutschland auf hohem Niveau
Gefunden habe ich den folgenden Satz in der MZ vom 25.02.2017 auf S. 31, im Rahmen einer Beratung Immobilien (Überschrift: "Luftschloss Eigenheim") hat ihn Alex Schürt vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung ausgesprochen: „In Deutschland sind Mieter besser geschützt als in vielen anderen europäischen Staaten". Vor wem die geschützt werden müssen, steht nicht dabei. Angesichts der Tatsache, dass seltene Hamster und Fledermäuse auch "Kündigungsschutz" genießen gegenüber Leuten, die ihnen ihr Zuhause streitig machen wollen ....
Bagatellisierender Konjunktiv (Möglichkeitsform)
Bekannt ist, dass Helmut Kohl damals Ende der 90er Jahre in der so genannten "Spendenaffäre" sich weigerte, Details einer 2-Millionen-Mark-Spende zu nennen. Details ist eigentlich die falsche Bezeichnung - er hatte nicht nur den Erhalt der Spende an die CDU verschwiegen. Als alles herauskam, weigerte er sich, den Namen des Geldgebers zu nennen. Damit verstieß er - ungeschoren - gegen Gesetze dieser Bundesrepublik.
Bis heute wird ihm das nachgesehen, indem z. B. der "bagetellisierende Konjunktiv" in der Beschreibung des Tathergangs verwendet wird.
Ein Zitat aus der MZ vom 23.02.2017, S. 6 zeigt, was ich meine:
Bezugnehmend auf die beiden o. g. Gesetzesverletzungen heißt es dort:"Zu beidem wäre er gesetzlich verpflichtet gewesen." Nein, nicht "wäre": Zu beidem war er und ist er immer noch gesetzlich verpflichtet.
In diesem Sinne sehe ich diesen bagatellisierenden Konjunktiv als prägend für unseren heutigen Zeitgeist an.


Wie ökonomische Begriffe im Alltag Sprache verarmen lässt
Begriffe der Marktwirtschaft wie z. B. "investieren" oder "profitieren"
(→ profitieren in der WORTSAMMLULNG VON A BIS Z - P) dringen in den Alltag ein und verdrängen die Vielfalt sprachlicher Möglichkeiten
Eine Sammlung von Beispielen beginnt mit: »Ein Personal Trainer ist eine lohnende Investition in die eigene Fitness« Diese Weisheit verkündete die MZ vom 28.02.2017 auf S. 21 in der Unterzeile unter der Hauptüberschrift »Raus aus der Wohlstandsfalle«
Weiter heißt es z. B.:»Auch wenn die Kosten für eine individuelle Betreuung höher sind als etwa im Fitnessstudio, so ist das Ergebnis sicherlich wertvoller als ein jahrelanges unkontrolliertes und ineffizientes Training« Es wird Professor Daniel Kaptain von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement DHfPG zitiert.

Hier tut man sich also nicht "etwas Gutes", sondern man "investiert" in den eigenen Körper, das muss sich dann auch "lohnen", also "rechnen", man muss dann davon "profitieren".  "Ineffizientes Handeln"  ist verpönt, denn Effizienz ist einer der neuen "Werte", eine der neuen Handlungsvorschriften.
Aus der fremdbestimmten Sklaverei haben wir uns befreit, um aktiv die Selbst-Versklavung in der Marktwirtschaft zu betreiben?


Hier folgt eine Wortgruppe, die ich nicht weiter kommentiere
- Chroniken der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt (MZ 17.03.2017, S.2)
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Anmerkung A1
Das Wort "Zeitgeistigkeiten"
(Achtung: NICHT gemeint ist "Zeitgeistlichkeiten"!) ist äußerst selten. Die knapp 1500 Google-Fundstellen beziehen sich überwiegend auf "Zeitgeist".   Auf den ersten Blick ist es rein sprachlich eine "falsche" Wortbildung, da sich Wörter mit "-tigkeiten" auf Adjektive beziehen, die mit dieser Endung substantiviert werden:
tätig - Tätigkeiten, fertig - Fertigkeiten, artig - Artigkeiten, nett (Nettigkeiten) u. ä.
Doch es bezieht sich nur indirekt auf das Substantiv "Zeitgeist", eigentlich ist es die Substantivierung von "zeitgeistig" (zu "geistig").