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QUERDENKER (FRÜHER AUCH KETZER GENANNT) IN WITTENBERG

DAS UNERSCHROCKENE WORT


Luther gilt als  mutiger Mann, als Ketzer und Querdenker. Ohne Rücksicht auf sein Leben hat er die Wahrheit gesagt. Sein Auftreten auf dem Wormser Reichstag und die - historisch nicht verbürgten - Worte "Hier stehe ich, ich kann nicht anders." sind berühmt. Er wurde "in Acht und Bann geschlagen", seine  geradezu "filmreife" Entführung auf die Wartburg, um sein Leben zu retten, ist weithin bekannt.

In Erinnerung an dieses unschrockene Auftreten Luthers stiftet der "Bund der Lutherstädte" seit Jahren - aller zwei Jahre - einen Preis "Das unerschrockene Wort".  Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Jeweils bis zum August des Vorjahres der Preisverleihung können Vorschläge für die nächste Preisverleihung (in einem ungeraden Jahr) eingereicht werden. Wer sich beteiligen möchte, wende sich an die Pressestelle der Lutherstadt Wittenber, an Frau Karina Austermann (Rathaus, Lutherstraße 56 in  06886 Lutherstadt Wittenberg).

- Notiz vom 11.04.2016
- Der Skandal 2012
- Lernen aus Kritik
- Die Ausschreibungskriterien
- Die bisherigen Preisträger bis 2023
- Der "Bund der Lutherstädte" und ein sprachliches Dilemma
- PS: Link auf meinen Vorschlag für die Auszeichnung im Jahr 2015

Notiz vom 11.04.2016

Die neue Vorschlagsrunde für die Auszeichnung im Jahr 2017 läuft noch ein paar Wochen.
Ich hoffe nur, dass Jan Böhmermann, der Satiriker und Erdogan-Kritiker, nicht von irgendjemandem für diesen Preis vorgeschlagen wird. Da die Vorschläge inzwischen nicht mehr öffentlich gemacht werden, würde es dann wenigstens nicht zu einem Skandal wie im Jahr 2012 kommen können.
Ich ziehe bewusst den Vergleich zwischen Herrn Böhmermann und der Putin damals  "unsachlich" kritisierenden Rockband Pussi Riot.

Der Skandal im Jahr 2012

Im Jahr 2012 gab es heftigste Diskussionen, weil hier in Wittenberg die russische Mädchenband "Pussi Riot" (der Vorschlag kam übrigens aus der Verwaltung der Stadt) vorgeschlagen worden war. Herr Friedrich Schorlemmer meinte sogar, dass Wittenberg keine "Gotteslästerung" ehren dürfe. Das hatten in seinen Augen die jungen Frauen begangen, als sie die Verquickung von Staat und Kirche in Rußland  mit ihrem "Punkgebet" in einer Kirche anprangerten und dabei die Gläubigen störten. Sie waren dafür ins Gefängnis gegangen.
Nein, heute kritisiert man doch nicht mehr mit so unzivilisierten Mitteln - und man nennt sich auch nicht so: "kreischende Muschis". Das hatte Herrn Schorlemmer ebenfalls auszusetzen.
Nach den Protesten wurde im Stadtrat beraten, ob die Nominierung zurückgezogen werden soll.
In diesem Jahr 2012 schaffte es die Preisverleihung ob dieses Skandals reichlich in die überregionalen Medien wie FAZ und taz.

Lernen aus Kritik

Aus der Kritik, die es damals hagelte, hat die Stadt Wittenberg, haben die Städte, die den Preis schließlich verleihen, gelernt: Die Vorschläge werden nicht mehr öffentlich gemacht. Man erfährt nur hinterher, wer für den Preis ausgewählt wurde.
Es ist also nur noch ein formaler Akt: ein einziges Beispiel wird hoch aufgewertet. Die anderen Vorschläge, die eigentlich ebenfalls als Vorbilder für Zivilcourage genannt werden könnten, fallen unter den Tisch.
Die Beispielwirkung des Preises ist reduziert auf ein einziges aller zwei Jahre.

Die Ausschreibungskriterien

Zuerst zitiere ich aus der Präambel des Preisstatuts
(aus einer Sekundärquelle, ich habe nicht notiert, welche es war):
In einem freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen gehört das freie Wort zu den wichtigsten konstitutiven Elementen. Auch in einer Gesellschaft, in der die Meinungsfreiheit Verfassungsrang hat, gibt es vielerlei Gründe, Zwänge, Versuchungen und Hindernisse, die zu einer Einengung und damit letztlich zu einer Bedrohung der freien Meinungsäußerung führen können. Wenn aber Opportunitätsdenken, das Bemühen um Anpassung und Konformität und die Scheu vor vermeintlichen Autoritäten überhand nehmen, dann verkümmert der Mut, unüberhörbar das zu sagen, was möglicherweise unbequem ist, der vorherrschenden oder der obrigkeitlichen Meinung zuwiderläuft, aber um der Wahrheit und Wahrhaftigkeit willen ausgesprochen werden sollte.
Die direkten Ausschreibungskriterien sind in jedem Jahr ähnlich bis gleich, ich habe hier den im Wittenberger Amtsblatt "Die neue Brücke" Nr. 13.2014 (26.06.2014), S. 11 veröffentlichten Text vor mir (Hervorhebung im Text von mir - B.K.): „Das unerschrockene Wort“ wird an Frauen und Männer verliehen, die in einer besonderen Situation oder bei einem konkreten Anlass, aber auch beispielhaft über einen größeren Zeitraum hinweg, in Wort und Tat für die Gesellschaft, die Gemeinde oder den Staat bedeutsame Aussagen gemacht und diese gegenüber Widerständen vertreten haben.
Dabei geht es weniger um eine Zustandsbeschreibung als um wegweisende, zukunftsgerichtete Überlegungen. Bei der Vergabe des Preises spielen parteipolitische und konfessionelle Gesichtspunkte keine Rolle.
Auch allgemeine Unzufriedenheit, querulierende und eigennützige Motive oder Demagogie erfüllen nicht das Kriterium des „unerschrockenen Wortes“. Die Preisträger können aus der Bundesrepublik Deutschland, aber auch aus dem Ausland kommen. Ihr unerschrockenes Wort sollte sich auf die gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik beziehen.

Die "querulierenden Motive" sind nachdenkenswert: die Grenze zwischen dem Querdenker und dem Querulanten ist  dünn bis unsichtbar. Und "von oben" - vermute ich einmal - sehen beide sowieso gleich aus: wie Querulanten.

Die bisherigen Preisträger

1996 Prof. Dr. Richard Schröder, Theologe und Philosoph
1999 Prof. Dr. Hans Küng, Theologe
2001 Uta Leichsenring, Polizeipräsidentin aus Eberswalde
2003 Gertraud Knoll, Österreich
2005 Stephan Krawczyk, Liedermacher

2007 Emel Abidin-Algan, die durch ihr theologisch begründetes Auftreten im "Kopftuchstreit" bekannt wurde
(siehe z. B. die Information über die Preisverleihung auf der Website der Stadt Worms - Stand 22.02.2016:
www.worms.de/de/kultur/kulturkoordination/preis-der-lutherstaedte/emel-abidin-algan-.php »externer Link«)

2009 Andrea Röpke, Journalistin,
für ihr unerschrockenes Auftreten gegen Rechtsextremismus

2011 Dmitrij Muratow und die Redaktion der russischen Tageszeitung „Nowaja Gaseta“

2013 Regensburger Gastwirte-Initiative "Keine Bedienung für Nazis"A1

2017 Horst und Birgit Lohmeyer sowie Markus und Susanna Nierth
"Damit wurde deren zivilgesellschaftliches Engagement im Kampf gegen demokratiegefährende und rechtsextremistische Strömungen in Deutschland gewürdigt."
2019 Seyran Ates
Die Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin mit türkisch-kurdischen Wurzeln lebt in Berlin und erhält den Preis für ihren Kampf "für die Rechte muslimischer Frauen, für einen liberalen Islam und gegen politisch-religiösen Extremismus in Deutschland und Europa." Der Preis wird am 27. April 2019 in Marburg verliehen.
(Quelle der Zitate für die Preisträger 2017 und 2019, aufgerufen am 21.03.2019:
worms.de/de/kultur/kulturkoordination/preis-der-lutherstaedte/»externer Link« , dort findet man auch Hinweise auf ausführlichere Informationen zu den einzelnen Preisverleihungen)


2021 Weranika Zepkala, Swjatlana Zichanouskaja, Mayja Kalesnikawa,
belarussische Bürgerrechtlerinnen.
IIn Erinnerung an das  500 Jahre zuvor stattgefundene Auftreten Martin Luthers auf dem "Reichstag zu Worms" war im Jahr 2021 Worms der Ort der Preisverleihung.

2023 Zarifa Ghafari, Afghanische Frauenrechtlerin,
von 2018 bis 2021 war sie das erste weibliche Stadtoberhaupt in einer afghanischen Stadt, in Maidan Shahr.
2021 musste sie nach dem Sieg der Taliban aus Afghanistan fliehen.
Die Preisverleihung erfolgte im April 2023 in Schmalkalden.

Der "Bund der Lutherstädte" und ein sprachliches Dilemma

Zuerst muss ich hier eine sprachliche Besonderheit des Wortes "Lutherstadt" bzw. "Lutherstädte" erwähnen:
Es gibt drei Orte, die das Wort "Lutherstadt" in ihrem Ortsnamen tragen:
"Lutherstadt Eisleben", "Lutherstadt Wittenberg" und "Mansfeld Lutherstadt".

Korrekt ist es, z. B. zu sagen bzw. zu schreiben:
"Am Wochenende findet das Stadtfest in Lutherstadt Wittenberg statt."
Nicht korrekt ist dagegen:
"Am Wochenende findet das Stadtfest in der Lutherstadt Wittenberg statt."

Etwas anders sind "die Lutherstädte", die sich im Jahr 1993 im o. g. "Bund der Lutherstädte" zusammgenschlossen haben."Als Lutherstädte gelten die  Städte, in denen der deutsche Reformator Martin Luther gelebt oder maßgeblich gewirkt hat."(Quelle: https://www.worms.de/de/tourismus/sehenswertes/lutherstaedte/»externer Link«, aufgerufen am 21.03.2019)

Das sind
Augsburg, Coburg, Eisenach, Lutherstadt Eisleben, Erfurt, Halle (Saale), Heidelberg, Magdeburg, Marburg, Nordhausen, Schmalkalden, Speyer, Torgau, Lutherstadt Wittenberg, Worms und Zeitz.

Nun kann man zwar korrekt sagen oder schreiben:
"In der Lutherstadt Erfurt wird in diesem Jahr der Preis "Das unerschrockene Wort" verliehen."
Wollte man, wenn man die Zugehörigkeit zum "Bund der Lutherstädte" betonen möchte, eine ähnliche Formulierung für Wittenberg korrekt treffen, müsste das so heißen:
"In der Lutherstadt »Lutherstadt Wittenberg« wird in diesem Jahr der Preis »Das unerschrockene Wort« verliehen."
Das sagt bzw. schreibt natürlich kein Mensch. Aber nur zu sagen "in der Lutherstadt Wittenberg" ist trotzdem falsch, denn dann wird der Ortsnamen nicht korrekt genannt.
Es ist ein echtes sprachliches Dilemma.

In der Praxis wird das natürlich nicht so ernst genommen, da achtet niemand darauf, ob man "Ich wohne in der Lutherstadt Wittenberg." oder "Ich wohne in Lutherstadt Wittenberg." oder nur "Ich wohne in Wittenberg." sagt.

Eine Jury aus den (Ober-) Bürgermeistern der "Lutherstädte" (Augsburg, Coburg, Eisenach, Lutherstadt Eisleben, Erfurt, Halle, Heidelberg, Lutherstadt Wittenberg, Magdeburg, Marburg, Nordhausen, Schmalkalden, Speyer, Torgau, Worms und Zeitz) und weiteren berufenen Mitgliedern entscheidet dann über die Vorschläge.

PS: Mehr über meinen Vorschlag, wer im  Jahr  2015 diese Auszeichnung ebenfalls verdient hätte, gibt es auf der Seite  EINGEMISCHTES (in EINMISCHUNGEN).   __________________
  Anmerkung A1
In Wittenberg gab es diverse Gespräche, Diskussionen und Zeitungsartikel, in denen es um die Frage ging, ob sich Wittenberger Gastwirte dieser Aktion anschließen. Soviel ich weiß, hat sich niemand daran beteiligt.