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SPRACHLIEBE - MIT LUST UND LIEBE SPRECHEN

WORTSAMMLUNG VON A BIS Z  - TEIL UND TEILEN

Wahrscheinlich achtet kaum jemand darauf, wie vielfältig die Wörter "Teil" und "teilen" in unserer Sprache verankert sind. Ich war selbst überrascht, als ich hier auf der Website danach suchte.

Allgemein bekannt ist, dass das Wortes "Atom"  - aus dem Griechischen übernommen  "átomos"- in etwa "unteilbar" bedeutet.
Weniger bekannt ist übrigens, dass die lateinische Analogie "individuum" im Begriff des "Individuums"  für das (" unteilbare") Einzelwesen Mensch steht. 
In einem modernen Bedeutungswandel steht  das Wort "Atom"  heute eher für ein bestimmtes, ein vereinzeltes Teil / Teilchen im Rahmen der Analyse der Struktur der Materie. Bei seiner Betrachtung ist der Zusammenhang der Atome untereinander immer mehr verloren gegangen.

Oft wird beklagt, dass wir in einer "atomisierten Gesellschaft" leben, eine Gesellschaft, die ihren Zusammenhalt immer mehr verloren hat, die aufgespalten und zersplittert ist.
Dahinter steht ein "Zeitgeist der Atomisierung" - das bekannte "Teile und Herrsche"-Prinzip mag hieran nicht ganz unschuldig sein.

Vorerst liste ich hier die Wörter als Beispiele auf, die ich auf dieser Website gefunden habe, und stelle eine Betrachtung an über die beiden sehr unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs "teilen": etwas "auseinander bringen" / "trennen" und "an etwas beteiligt sein" / "zu etwas dazu gehören":

- Die Vielfalt der Wörter mit "teil"
- Die beiden Bedeutungen von "teilen"

Die Vielfalt der Wörter mit "teil"

Verben mit "teil"
- austeilen
- erteilen (z. B. Unterricht)
- mitteilen
- (sich) beteiligen
- teilen (geteilt)
- abteilen
- benachteiligen
- teilhaben
- teilnehmen
- verteilen
- zuteilen, (jemandem etwas) zuteil werden lassen

Substantive mit "teil"
- diverse Teile und Teilchen:
               Fußteil, Seitenteile, Kopfteil, Teilthemen, Abteil(ung),
               Anteil, Anteilnahme, Frauenanteil
               Teilstück, Teilgedanke, Bruchteil, Hauptteil, Teilbereich
               Bruchteil, Großteil, Hinterteil, Ortsteil
               Elementarteilchen, Puzzleteile, Einzelteile, Bestandteile
               Bevölkerungsteile
               Zubehörteile (z. B. eines Fahrrades)
- Welle-Teilchen-Dualismus
- Beteiligung, Beteiligte, Wahlbeteiligung, Beteiligungsmöglichkeiten,
   Erwerbsbeteiligung
- Einteilung (z. B. Zeiteinteilung)
- Gegenteil
- Mitteilung, z. B. Pressemitteilung
- Nachteil ("benachteiligte Kinder",  "sozial Benachteiligte")
- Partei ("Part" und "Teil" stecken  hier drin - Assoziation zu "Partikel")
- Teilbarkeit (der Materie), Teilung, Aufteilung, Arbeitsaufteilung, Arbeitsteilung
- Unteilbarkeit ("unteilbarer Humanismus")
- Teilfunktion, Teilindividuum, Teilprozess, Teilbereich
- Teilnahme, Teilnehmer (Gesprächsteilnehmer)
- Teilhabe (hieß früher Beteiligung)
- Teilerfolg
- Verteilung, Verteilungsaufwand, Verteilungskämpfe, Verteilungsmechanismen,
   Verteilungsmethoden, Verteilungsprogramme, Geschlechterverteilung,
   Schuldverteilung (bei einem Unfall) Verteilungsproblem, Verteilungsinstrumente,
   "Flüchtlingsverteilungsquote der EU", "Umverteilung von Flüchtlingen",
   "gerechte Aufteilung von Flüchtlingen" usw.
- Vorteil: Evolutionsvorteil, Augenblicksvorteil, Standortvorteil
- Nachteil
- Teile-und-Herrsche-Prinzip

Wovon man /etwas Teil bzw. Bestandteil sein kann, woran man "teilhaben" kann ("Teil und Ganzes")
- Bestandteil der Schöpfung bzw. des Kosmos (sein)
- Teil der Gemeinschaft (sein)
- Teil der Medizingeschichte,
- Teil des kulturellen Erbes der Menschheit
- Erdteile
- An-Teil am geistigen Reichtum der Menschheit haben
- Teilaspekt (der Heiterkeit)
ABER:
- "ein Teil der Menschen"  ist etwas anderes als " ein Teil der Menschheit sein"

sonstige Wörter
- vorteilhaft
- anteilig
- teilweise
- gegenteilig (Ergebnisse, Meinung)
- größtenteils
- mehrteilig (z. B. vierteilig)
- geteilte Freude
- zuteil (werden)
- vorurteilsfrei
- teils
- teilchenhaft (Struktur der Materie)
- vorteilhaft

Abwandlungen / Assoziationen / Namen / ...
- Urteil, Werturteilsfreiheit, Vorurteil, verurteilen, beurteilen
- Teilhard de Chardin

Die beiden Bedeutungen von "teilen"

Mir geht es bei dieser ersten Sammlung auch um folgendes:
Die beiden Bedeutungen, die in "Teil" bzw. "teilen" stecken, werden im Alltag oft gar nicht als wesentlich verschieden wahrgenommen. Dabei handelt es sich um diese

1. Aufteilung, Verteilung, Zerteilung, Abtrennung bzw. aufteilen, verteilen, zerteilen, abtrennen (z. B. "Er bekam wie immer das größte Stück vom Kuchen." oder "Bei der Aufteilung des Erbes stritten sich die Geschwister heftig.");

2. Anteil nehmen (im Sinne von Zugehörigkeit bzw. Zusammengehörigkeit, z. B. "Wir können deine Freude teilen, wir verstehen dich."),
Beteiligung (z. B. "Ich beteilige mich an den Kosten für das Geschenk."),
Bestandteil oder auch Teilnehmer von etwas sein (z. B. "Er gehört zur Truppe, er ist ein Teil des Teams."),
Teil eines Ganzen zu sein, das ist schon bei einem Autoteil erkennbar: es hat nur Funktion und Sinn, wenn es "Teil des ganzen Autos" ist. Auch die Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder einer Religion erhebt den Einzelnen als Teil  dieser Gruppe über sich hinaus.

Während ich bei der ersten Bedeutung von der "Atomisierung" spreche, ist die 2. Bedeutung als "Systembildung" bzw. "Systemisierung" beschreibbar.
Während die 1. Bedeutung die übliche ist, findet die 2. kaum Beachtung.

Diese Unterscheidung hat riesengroße Bedeutung für Gegenwart und Zukunft.
Heute leben wir in einer Denkweise der "Atomisierung" ("atomisierte Gesellschaft"), des Egoismus, der Individualinteressen. Da diese Denkweise nicht wirklich notwendig ist für den Fortbestand der Menschheit, diesen eher in Gefahr bringt, nenne ich sie auch den in unserer Zeit vorherrschenden "Zeitgeist der Atomisierung"

Mit der Denkweise der "Systembildung" oder "Systemisierung" rücken die gemeinsamen Interessen stärker in den Blickwinkel.  Hilfsbereitschaft, Konsenssuche, gemeinsame Freude am Erreichten, Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft, die Gemeinschaft, die Erde stehen bei ihr im Mittelpunkt. Auch heute gibt es diese Denkweise natürlich schon. Doch sie hat es gegenüber dem "Zeitgeist der Atomisierung" äußerst schwer.
Das "Denken über sich hinaus", das "Gemeinschaftsbewusstsein" wird die Basis für den künftigen Zeitgeist, den "Zeitgeist der Zusammengehörigkeit" sein, sein müssen.
Im Thema HEITERE ZUKUNFT wird es auch um diese Fragen gehen.

Man kann diese beiden Sichtweisen auch in die Frage fassen:
Bekommt der einzelne Mensch z. B. "Anteil" an den Schätzen der Natur und am gemeinsam erzeugten gesellschaftlichen Reichtum in Form von Lohn, Sozialleistungen, kostenloser Nutzung des Gemeinschaftseigentums - oder eignet er sich Teile dieses gesellschaftlichen Reichtums an, indem er ihn anderen wegnimmt, vorenthält (Beispiel: Privatbesitz von Wasserquellen)?

Schließlich verabsolutiert sich die Denkweise der "Atomisierung" im "Teilchenbegriff" der Physik. In ihm wird völlig vergessen, dass zu einem "Teil" immer etwas "Ganzes" gehört oder gehört hat, das aufgeteilt wird oder das sich aus den Teilen zusammensetzt. Der Teilchenbegriff (Elementarteilchen) steht absolut, nur noch für sich, angefangen vom "Atom" bis zum "Higgs-Teilchen".

Zum Schluss sei diese Sammlung noch mit einer Volksweisheit gekrönt, die das "Teilen" noch einmal in einen weiteren, äußerst nachdenkenswerten Zusammenhang stellt:
"Geteiltes Leid - halbes Leid, geteilte Freude - doppelte Freude."