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SPRACHE UND KOMMUNIKATION

SYMBOLSPRACHE
BILDSPRACHE  •  ZEICHENSPRACHE

Das Denken - so las ich vor vielen Jahren in einer wissenschaftlichen Betrachtung - sei an das Wort, den Text gebunden. Anders gesagt, es gibt angeblich nur "Denken in Worten".
Meine eigene Erfahrung war eine andere: Es gibt auch ein "Denken in Bildern".

Man muss jedoch trennen zwischen einerseits dem, was und wie der Mensch denkt, und  andererseits der Art und Weise, wie der Mensch seine Gedanken weitergibt.
Für die Weitergabe seiner wie auch immer ablaufenden Gedanken, Erinnerungen und Vorstellungen hat der Mensch - abgesehen von der Körpersprache - nun zwei Möglichkeiten:
Er kann sie in Worten (akustisch) oder in Bildern (optisch) weitergeben.

• Wie es aussieht, sind wir Menschen vorwiegend „Bildtierchen“.
• Bilder allein genügen nicht.
• Schriftzeichen und Buchstabenschrift
• Die Selbsterklärungskraft der Symbole
• Die Symbolsprache - am Beispiel des Wortes „Früchte“
• Eine neue Form der Symbolsprache entsteht
• Die „beiden Pole der Erkenntnis“ - Wissenschaft und Kunst

Wie es aussieht, sind wir Menschen vorwiegend „Bildtierchen“.

Man kennt das im Alltag: man will jemandem etwas erzählen oder erklären. Z. B. indem man ihm von der neuen Wohnung erzählt. Spätestens jetzt ist es angebracht, eine Zeichnung vom Grundriss oder Fotos vorzulegen.
Bilder haben eine „wortlose“ und sehr hohe Informationsdichte, die eine sehr schnelle Informationsübertragung ermöglicht. Sie können zeigen, was oft in Worten umständlich und schwierig auszudrücken ist.
Sie haben aber den Nachteil, dass sie „vergegenständlichte“ Information sind. Sie benötigen einen Informationsträger: sei es der Sand, in den man etwas kritzeln kann, seien es Steine, Papier oder eben heute elektronische Hilfsmittel.

Auch die Medizin und die Wissenschaft benötigt für die Untersuchung - die Informationsbeschaffung - „bildgebende Verfahren“: vom Röntgenbild bis zur Umsetzung von Messergebnissen in graphischen Darstellungen.

Bilder allein genügen nicht.

Man muss sie erklären. Der Gegenüber muss zumindest die abgebildeten Dinge kennen, um sich „ein Bild machen zu können“. Die „Erfindung der Sprache“ (gemeint ist hier die akustische Weitergabe von Informationen, die „Wort-Sprache“) erwies sich als Geniestreich der Evolution.

Schriftzeichen und Buchstabenschrift

In der Vergegenständlichung der Wortsprache und  in der Bildsprache trafen sich beide Ebenen: Die (vergegenständlichte) Zeichensprache war erfunden. Damit hatte die Menschheit eine völlig neue Kulturstufe erklommen - die „Schriftkultur“.

Verschiedene Entwicklungen waren zu beobachten:

Die eine Entwicklungslinie ging von Bildern aus, die immer abstrakter wurden, bis sie zu Schriftzeichen wurden, in denen das ursprüngliche Bild nicht mehr erkennbar war. Hier mussten die Aussprache, das Aussehen und Bedeutung des Zeichens miteinander gekoppelt erlernt werden. Die Anzahl dieser zu lernenden Schriftzeichen war relativ  hoch.

Der andere, wesentlich spannendere Weg war, die Laute direkt in Zeichen zu übersetzen - die Buchstabenschrift entstand. Sie erschien als wesentlich einfacher und leichter erlernbar, vor allem, weil man da ja mit wenigen Zeichen auskommen kann, die relativ schnell zu erlernen sind und durch eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten besser in der Lage ist, auch neue Wörter bzw. Begriffe einzubeziehen.
Selbst das Lesen von Texten mit unbekannten Wörtern ist einfacher - lesen kann man sie. Was sie bedeuten, erschließt sich entweder aus dem Zusammenhang im Text oder man kann in entsprechenden Wörterbüchern nachschlagen.
Schon Sokrates (Platon in Phaidros) warnte vor dieser neuen Mode des Lesen- und Schreiben-Könnens, da sie vergesslich mache und sich nicht an das Verstehen-Können der Leser anpassen könnte.
Leider haben Platon bzw. Sokrates in gewisser Weise Recht behalten - die Leute, die auswendig gelernte Wörter (Texte) wiedergeben, ohne sie verstanden zu haben, sind eine regelrechte Plage geworden.

Die Selbsterklärungskraft der Symbole

Im Unterschied zu den Zeichen (wie die heutigen Buchstabenschrift oder die Zeichen, die vor allem in verschiedenen Wissenschaftsbereichen verwendet werden), die alle erst "gelernt" bzw. "vereinbart" werden müssen, besitzen Symbole einen hohen Grad an Selbsterklärungskraft.
Anders ausgedrückt: Man muss sie nicht vereinbaren, man muss ihre Bedeutung nicht auswendig lernen, sie erschließt sich - ggf. mit ein wenig Übung - von allein.

Als ein erstes Beispiel hierfür nenne ich den Ouroboros, die sich selbst in den Schwanz beißende Schlange. Dieses in der ganzen Welt verbreitete Symbol wird in einer weiterführenden Seite vorgestellt: OUROBOROS.

Die Symbolsprache - am Beispiel des Wortes „Früchte“

Interessant ist, dass selbst Wörter (Begriffe) eine symbolische Bedeutung erlangen können.
Am Beispiel des Wortes »Früchte« möchte ich das an dieser Stelle einmal veranschaulichen.

Zum einen ist es ein "Gruppenname" für viele verschiedene Dinge:
Schon nach ersten konkreten Beispielen (Äpfel, Weintrauben, Walnüsse, Hagebutten) sind selbst kleine Kinder in der Lage, weitere - ihnen bis dahin unbekannte - Früchte als solche einzuordnen. Sie erfassen mit hoher Sicherheit die wesentlichen Merkmale von Früchten:
• wachsen an Pflanzen, vorwiegend an Bäumen und Sträuchern
• sind die Träger der Samen für die Fortpflanzung der Pflanze
• sind oft essbar.
Man muss lernen, die genießbaren, gesunden von den ungenießbaren oder gar giftigen Früchten zu unterscheiden.

Doch darüber hinaus kann das Wort "Früchte" auch noch in anderer Hinsicht verwendet werden:  An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Dieser Spruch aus Matthäus 7,16 des Neuen Testaments ist weithin bekannt.

Hier steht das Wort "Früchte" nicht für pflanzliche Produkte, sondern für die Motive und Taten von Menschen. So wie es gute oder verdorbene bzw. giftige Früchte gibt, so können die Taten von Menschen segensreich oder schädlich sein.

Die Frucht der Pflanze wird zum "Symbol", das Wort erhält "Bedeutung im übertragenen Sinne". Parabeln, Metaphern, Gleichnisse - Analogien im weitesten Sinne - arbeiten mit symbolisch erweiterten Bedeutungen von Wörtern.
Ich zitiere die ganze Bibelstelle, die das sehr gut veranschaulicht:
(Matthäus 7, 15-17) 15 Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe.
16 An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln?
17 Also ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt arge Früchte ... 

Eine neue Form der Symbolsprache entsteht

Inzwischen gibt es immer mehr Piktogramme, Emojis und andere Zeichen und Bildchen, die man als sich gerade herausbildende "moderne Bildsprache", vielleicht sogar als neue Symbolsprache ansehen kann.
Diese Form der Kommunikation bewährt sich angesichts der zunehmenden Internationalisierung des Lebens immer mehr. Ich erinnere nur an die Straßenschilder, an die  Bildchen, die vor Gefahren warnen oder in Gebrauchsanweisungen verwendet werden. Kennzeichnungen in Gebäuden - von WC bis Fluchtweg - arbeiten schon seit langem mit dieser neuen Bildsprache.
Gut, die Bilddarstellung der IKEA-Aufbauanleitungen kann man wohl nicht unbedingt als einfach verständlich ansehen. Aber das werden die auch noch schaffen.

Normalerweise erschließt sich der Sinn dieser bildlichen Informationen "selbsterklärend" bzw. aus dem Kontext, in dem sie verwendet werden.

Vor allen Dingen haben sie einen  Vorteil: man erfasst die enthaltenen Informationen sehr schnell, "mit einem Blick", erst recht dann, wenn man sie bereits kennt. Geschriebenen Text zu erfassen, dauert vergleichsweise wesentlich länger.
Man kann es auch so sagen: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Diese auf den ersten Blick schon zur Floskel gewordene Aussage enthält jedoch eine Konsequenz, die im allgemeinen wenig berücksichtigt wird: Text allein ist nicht ausreichend zum Verstehen. Dafür werden immer auch Bilder (im weitesten Sinne) benötigt. Auch die Beobachtung in der lebenden Natur - mit allen Sinnen - ist jedem bildlosen Text überlegen.

Die "beiden Pole der Erkenntnis" - Wissenschaft und Kunst

Buchstaben und Zeichen (so genannte "Symbole", auch wenn sie nur vereinbart sind und nicht wirklich den Charakter von Symbolen tragen) sind die Hauptform, in der wissenschaftliche Erkenntnisse gespeichert und gelehrt werden. Doch auch sie - die Wissenschaft - kommt nicht ohne Abbildungen aus: Diagramme, Speichern von Forschungsergebnissen in Form von Fotos (z. B. vom Kosmos, von mikroskopisch kleinen Objekten) gehören mit zum "Handwerkszeug" der Wissenschaft.

Der "andere Pol der Erkenntnis", die Kunst, arbeitet vorwiegend mit Bildern (im weitesten Sinne - natürlich gehören dazu auch Skulpturen, Werke der Architektur usw.), in denen Informationen enthalten sind, die oft schwer in Worte zu kleiden sind. Die Kunst spricht stärker als die Wissenschaft die emotionale Erkenntnisebene des Menschen an, unterstützt das Vorstellungsvermögen des Menschen.
Auf der Seite RAUMLEHRE (in GRUNDFRAGEN DER PHYSIK UND DER WISSENSCHAFT » MATHEMATIK) zeige ich am Beispiel der Halbkugeln des Künstlers Max Bill, wie die rein wissenschaftliche Vorstellung von der Halbkugel unser Denken in ein bestimmtes Schema presst. Sogar die Sprache ganz allgemein, die Verwendung von Wörtern und Begriffen, ist in der Kunst eine andere als in der Wissenschaft: sie lebt von im weitesten Sinne "Doppeldeutigkeiten", von Nuancen in der Bedeutung der Begriffe, von Wortspielen, von Andeutungen. Dem gegenüber muss die Wissenschaft ihre Sprache (Wörter, Zeichen, Operatoren, ...) ganz exakt definieren - ein durchaus zweischneidiges Schwert. __________________________
Zur (mathematischen) Zeichensprache gibt es hier weitere Notizen: ZEICHENSPRACHE (in GRUNDFRAGEN DER PHYSIK UND DER WISSENSCHAFT » MATHEMATIK)