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VERMISCHTE UND VERSTREUTE SCHREIBEREIEN

DREIMAL: DER ENGELS

Dieser Text in der Form eines Gedichts ist mehr als 25 Jahre alt.
Ich gebe hier die erste Fassung wieder:

Dreimal - der Engel

I.
Als der Engel zu mir trat -
lächelte er und sprach:
"Drei Wünsche hast Du frei -
doch nur Dein eignes Leben
liegt in dieser Macht."

Da wünschte ich :
"Ein Leben ohne Stillstand,
ein Leben ohne Einsamkeit,
einen Tod, den ich kommen sehe."

Als der Engel ging, lächelte er.

II.
Als der Engel zu mir trat -
lächelte er und sprach:
"Einen Wunsch erfüll ich Dir -
nur einen einzigen."

Ich antwortete:
"Dann wünscht ich mir,
ich hätte nie gelebt."

Als der Engel ging, weinte er.

III.
Als der Engel zu mir trat -
lächelnd sprach:
"Wünsch Dir,
was es auch sei ." -

sagte ich: "Geh bitte."

Eine kleine Anmerkung für Leute, die dieses Gedankenspiel für "depressiv" halten:
Bitte lesen Sie den folgenden Text nicht, wenn Sie diese Engelsgeschichte lustig, witzig, spöttisch, amüsant, vielleicht auch ein wenig nachdenkenswert gefunden haben.
Dann ist dieser Text hier für Sie völlig überflüssig!

Meine Freundin Gisela schickte dieses Gedicht ohne mein Wissen an eine Frau in Magdeburg, die irgendetwas mit Schriftstellerei zu tun hatte. Der Name dieser Frau tut nichts zur Sache.
Diese Frau machte sich die Mühe, mir zu antworten und mir mitzuteilen, dass sie sich Sorgen um mich mache, weil das Gedicht so "depressiv" sei.

Ich hatte mich beim Erstellen dieser Gedankenspielerei köstlich amüsiert.
Meine Tochter hat beim Lesen derselben - da sie ja mich und meine Denkweise kennt, gab es kein Interpretationsproblem - herzlich gelacht.
Deshalb war ich höchst erstaunt, als ich dank dieser Frau aus Magdeburg mitbekam, dass man es auch ganz anders - negativ - interpretieren kann.

Ich vermute einmal, die Position des "Ich-Erzählers" bei der Antwort auf die Möglichkeit, einen einzigen Wunsch zu äußern, wurde von dieser Frau als "depressiv" eingestuft:
     "Dann wünscht ich mir, ich hätte nie gelebt."
Das ist kein Wunsch, das ist eine Spielere des "Ich" mit dieser Vorstellung, vor allem aber ist es eines - eine Verspottung des arroganten Engels, der glaubt, mit seinem Angebot die Macht zu haben, alle möglichen menschlichen Wünsche zu erfüllen.
DIESEN "Wunsch" KANN er nicht erfüllen.

Ja, der dritte Teil dieser Engel-Geschichte ist dann wohl  hoffentlich auch klar:
Ein Leben, in dem ich mir alle Wünsche ohne Mühe erfüllen kann, ist für mich kein Leben.
Denn wenn diese Möglichkeit besteht, ist die Versuchung groß, sie auch zu nutzen.
Man wird faul und träge.
Dann aber bleibt der eigentliche Sinn des Lebens auf der Strecke.
Darum ist der einzig mögliche Wunsch in diesem Augenblick, um sich seine Freiheit zu bewahren, dass der Engel verschwinden soll.

In einer späteren Überarbeitung hatte ich  den Text
                    "Dreimal - Mensch und Engel"
genannt. Die drei Abschnitte waren - immer bezogen auf Mensch UND Engel - überschrieben

I. Der glückliche .... (Mensch und Engel)
II. Der ausgetrickste ...
II. Der freie ...

Ja, auch der Engel war zuletzt frei, musste nicht mehr die Wünsche eines anderen erfüllen.