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RELIGION UND GEWALT

Die Blutspur dieser unheiligen Allianz von Religion und Macht, von Religion und Gewalt zieht sich durch die Geschichte aller Kulturkreise. Ist das Wesen von Religionen Gewalt? Sicher nicht. Werden Religionen andererseits nur benutzt und missbraucht?

Erste Gedanken zur wohl gewalttätigsten unheiligsten Verbindung von Religion und Gewalt, dem christlichen Antisemitismus, und zu den Bauernkriegen des 16. Jh. sind notiert:

Christlicher Antisemitismus und Luthers Judenhass

Die wohl blutrünstigste Verbindung von Religion und Gewalt war und ist anscheinend immer noch der christliche Antisemitismus. Dieses Thema ist bis heute in Deutschland brisant: nach wie vor sind antisemitistische Positionen weit verbreitet.

Ich erinnere mich, dass dieses Thema in meiner Kindheit in der DDR als geschichtlich "aufgearbeitet" galt. Es gab sowieso so gut wie keine Juden mehr hier in Lutherstadt Wittenberg.
Das ist übrigens eine besondere Spielart des Antisemitismus: abstrakter Judenhass ohne konkrete "Objekte" für diesen Hass.

Die "Begründung", die das Christentum jahrhundertelang für ihren Hass und für die Verfolgung, Vertreibung, Diskriminierung und Ermordung von Juden gegeben hat, ist so hanebüchen, dass sich jeder Christ heutigentages dafür schämen müsste:
Weil die Juden ihren Heiland Jesus Christus, einen Juden, ans Kreuz geschlagen hätten.
Die Absurdität dieses Vorwurfes als Rechtfertigung des christlichen Antisemitismus lässt vermuten, dass es ganz andere Gründe waren, aus denen heraus der Feldzug gegen die Juden geführt wurde.

In Luthers Hass auf die Juden kommt ein anderer Grund zum Vorschein:
Mit ihrer Ablehnung einer Bekehrung zum Christentum durch die Juden äußern sie auch Zweifel, dass der christliche Weg der "alleinseligmachende", der alleinige Weg zu Gott sein könnte.
Die Absolutheit der christlichen Lehre, man käme "nur durch Jesus" zu Gott, beinhaltet nach wie vor eine Diskriminierung anderer Religionen als minderwertig und rechtfertigt die Missionierung, die nicht immer ganz gewaltfrei ablief. Wenn man dann noch sehen muss, wie der christliche Fundamentalismus weiter erstarkt, kommen gelegentlich schon Befürchtungen auf, dass die Gewalt auch der christlichen Religion noch nicht überwunden ist.

Machtkämpfe, Kriege, Mord und Totschlag 
als Akt der "christlichen Nächstenliebe"?

Heute (09.05.2017) will ich nur kurz auf die Bauernkriege zu Luthers Lebzeiten eingehen:
Luther, von vielen "Fürstenknecht" genannt, hatte sich gegen die Bauern gestellt, die verzweifelt um eine Verbesserung ihrer erschreckenden Notlage kämpften und die in seinen Schriften die Berechtigung dafür gefunden zu haben glaubten. Thomas Müntzer, eigentlich Weggefährte Luthers, stellte sich auf ihre Seite und kam grausam zu Tode. Luther hatte aufgerufen, die Bauern zu morden, zu foltern, mit allen Mitteln den "Aufstand" nieder zu schlagen.
Nun finde ich eine interessante andere Haltung eines Protagonisten jener Zeit:
Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen (1463 - 1525) und "Lutherbeschützer", gehörte zu denen, die die Forderungen der Bauern für gerechtfertigt hielten. "Während der Bauernkriege war er gegen eine Vernichtung der Bauern, seiner Meinung nach sollten die Forderungen der Bauern erfüllt werden."  (So informiert die Website www.luther-erleben.de/persoenlichkeiten/friedrich-der-weise.html »externer Link«)

Schaut man sich die Kriege, die in Europa ihren Ausgang nahmen, die in Europa selbst geführt wurden, genauer an, sind es Kriege von Christen gegen Christen.
Schlugen sich im 30jährigen Krieg (1618 - 1648) noch Katholiken und Protestanten gegenseitig tot, fanden sich, im Nationalstolz vereint, in späteren Kriegen diese beiden Gruppierungen auf beiden Seiten der Front: Katholiken und Protestanten auf der einen Seite und Katholiken und Protestanten auf der anderen Seite brachten sich gegenseitig um.

Mordlust contra Nächstenliebe, Nationalismus gegen das verbindende Band des Glaubens, Machtinteressen gegen Menschlichkeit - das "christliche Abendland" hat sich seine barbarische Entwicklungsstufe bis heute erhalten.

Manch ein Christ schämt sich offenbar sogar des eigenen Religionsgründers. Helmut Kohl hat gegenüber Franz Alt geäußert, dass die Bergpredigt von Jesus politisch gefährlich sei. A1

Ein Beispiel für den Missbrauch des Wortes "Nächstenliebe" wurde auf dem 36. Evangelischen Kirchentag im Mai 2017 in Berlin geboten. In einer Podiumsdiskussion kam auch eine Christin zu Wort, die Mitglied der AfD ist, eine Frau Schultner. Ihr Argument zur Nächstenliebe war (wenn ich das richtig verstanden habe - ich hatte zufällig den TV-Sender RBB angeschaltet und war mitten in die Diskussion geraten - ich war entsetzt und fassungslos),  dass dieses Gebot von Jesus nur den "Nächsten", aber nicht den "Fremden" meint, "Fremdenliebe" steht für sie also nicht zur Debatte, so als Christin.
Diese mangelnde "Fremdenliebe" spiegelt sich dann in der Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber Menschen in Not. Es ist zwar keine direkte physische Gewalt (noch nicht, denn einige Christen waren ja schon der Meinung, dass man auf Flüchtlinge ggf. schießen dürfe, wenn sie über die Grenze wollen), doch es gibt auch so etwas wie eine "passive Gewalt" - das Zulassen von menschlichem Elend ohne zu helfen.  

Diese selektierende Liebe, diese atomisierte Liebe ist eine Liebe, die  einige Menschen einbezieht und andere ausschließt. Eine "Menschheitsliebe" ist das am allerwenigsten.
Das Wort " Feindesliebe", auf das Jesus in besonderem Maße Bezug genommen hatte, scheint diese Frau noch nie gehört zu haben.
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Anmerkung A 1:
Zitat aus dem Buch von Franz Alt "Frieden ist möglich - Die Politik der Bergpredigt", S. 9 : »Ist Frieden möglich? Welche Antwort gibt die Bergpredigt? ... Mir scheint unsere Zeit reif für die Idee der Bergpredigt. In Zeiten größter Gewalt muß man Ausschau halten nach der Gewaltlosigkeit.
Ich weiß, dass viele Leser meinen politischen Überlegungen folgen, aber meine religiöse Argumentation gegen Atomrüstung ablehnen. Viele brauchen die Argumentation der Bergpredigt gar nicht. Sie lehnen aus rein humanistischen Bedenken Atomrüstung ab. Andere folgen zwar meiner religiösen Interpretation der Bergpredigt, meinen aber, die politischen Konsequenzen seien gefährlich. Das hat mir Helmut Kohl einmal so geschrieben.«
Das Buch erschien erstmals im Jahr 1983. → Quelle (im Quellenverzeichnis)